Schon das zweite Mal versemmelt der Stürmer eine „Hundertprozentige“. Der Schiedsrichter gibt einen Handelfmeter nicht, der ganz bestimmt einer war. Und der Torwart lässt einen Kullerball durch die Arme rutschen. Früher haben Zuschauer im Fußball Derartiges hingenommen, „sind eben auch nur Menschen“. Seit geraumer Zeit schleicht sich ein Verdacht an den Spielfeldern im Amateurbereich ein: Schiebung, „Match-Fixing“ in der internationalen Fachsprache, Spielmanipulation – hervorgerufen durch die Anbieter von Sportwetten. Eine viel beachteten und bis heute diskutierte Reportage verfassten dazu Autoren des Bayerischen Fernsehens, darunter Simon Wörz. Angriff auf den Amateurfußball – die Gier der Wettindustrie lautet der Titel des Berichts, der möglicherweise mit dafür verantwortlich ist, dass auf Amateur-Fußballplätzen wieder etwas mehr Glaubwürdigkeit eingekehrt ist. Fernsehreporter Simon Wörz war jetzt zu Gast im Augsburger Presseclub, um beim Podiumsgespräch mit Robert Götz (Sportredaktion der Augsburger Allgemeinen) und Klaus Utzni (Gerichtsreporter) über seinen Film und das Thema zu berichten. Quasi als Überraschungsgast zugegen war Fabian Kapfer. Der freie Mitarbeiter der Donauwörther Zeitung war selbst Zeuge geworden, wie Verantwortliche eines Fußballvereins zusammen mit der Polizei einen Daten-Scout aufspürten und im Hausverbot erteilten.
Das Problem ist immer dasselbe (gewesen): Ohne dass es bei den Betroffenen bekannt ist, ist die Fußballpartie ihres Vereins auf Wettportalen in aller Welt gelistet. Asien, Kanada, Australien voran, wobei je nach Region nicht nur auf Fußball, sondern auch auf Basketball, Tennis, Kamelrennen oder Hahnenkämpfe gewettet werden könne. Das Problem dahinter: Es kann der Verdacht mitschwingen, dass Hinterleute mit „Schmiergeld“ Einfluss auf das Sportgeschehen ausgeübt haben könnten – siehe oben. Während Wörz und seine Kollegen des BR für ihren Film auf den Tipp eines Reporterkollegen hin zu recherchieren begonnen hatten, war Kapfer zufällig zum Zeugen der Vorgänge geworden. Er könne gleich mitkommen, hätten ihn Vereinsverantwortliche aufgefordert, der Enttarnung eines Daten-Scouts beizuwohnen. Tatsächlich hatte sich an der Tribüne des Süd-Bayernligisten TSV Rain/Lech beim Heimspiel gegen die SpVgg Unterhaching II Anfang September ein solcher Informant aufgehalten, der über sein Mobiltelefon ständig Entwicklungen aus dem Spiel weitergeleitet hatte. Simon Wörz schilderte die Funktionsweise des Tuns solcher Scouts: Wie bei einem offiziellen Liveticker stellten diese Beobachter unablässig Informationen auf Wettplattformen zur Verfügung, die dann in Bangkok, Singapur, Manila und anderswo für Wetten genutzt würden. Die Arbeitsweise mittels Daten-Scouts habe sich als besser erwiesen als beispielsweise mitgefilmte Spielszenen („Streams“), die zu anfällig für Unterbrechungen oder Verzögerungen seien. Freilich kenne kaum jemand am anderen Ende der Welt den TSV Rain oder im Falle von Wörz Reportage den Kirchheimer SC im Landkreis München, wo ein Daten-Scout vor laufender Kamera aus dem Stadion hinaus komplimentiert worden war. Wetten auf Amateurspiele seien in Deutschland nicht erlaubt, schilderten die Journalisten, anders verhalte es sich im Ausland.
Was die Situation zusätzlich pikant mache: Einer der größten Sportdaten-Anbieter, der auf sämtlichen Plätzen auf dem Globus jeden Sprint eines Spielers, jedes Foul, jeden Fehlpass mitprotokolliert, habe zu denen gehört, die mit ihren Daten den Wettbetrieb mit unterstützt hätten. In der Saison 2023/24 hat jener Schweizer Sportdaten-Sammler Daten-Scouts zu mindestens 2.700 deutschen Amateurspielen geschickt. Aber immerhin habe selbige Firma auch die Werkzeuge zum Erkennen von Spielmanipulationen im Angebot gehabt. Freilich, so Wörz, seien er und sein Fernsehteam vom aus dem Allgäu stammenden Geschäftsführer der Daten-Firma aus dem Büro in London hinaus komplimentiert worden, als sie die Sprache auf diese Zustände gebracht hätten.
Was Wörz nach eigenen Worten mit am meisten freue: Berichterstattung wie die Seine, flankiert durch ähnliche Filme anderer Sender und mehrere Zeitungsberichte zeigten offenbar Wirkung: Habe man noch im vergangenen Herbst zahlreiche Fußballspiele der höheren heimischen Amateurligen auf ausländischen Wettportalen gefunden, sei diese Zahl zuletzt deutlich gesunken, zum Teil gegen null gegangen. Was nicht allein daran liege, dass das Wetter einen geregelten Spielbetrieb nicht mehr zugelassen habe.
Auf diese hoffnungsvolle Aussicht hin versorgte der Presseclub seine Gäste der Jahreszeit entsprechend mit Glühwein und Lebkuchen.
Michael Siegel
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