90 Jahre altes Offizierscasino: Investor mit Goldkorb gesucht

Was soll aus einem Nazi- und US-Kasernengebäude in Augsburg werden?

Was tun mit einem in die Jahre gekommenen Gebäudekomplex, der auf drei Ebenen rund 3.000 Quadratmeter Fläche bietet? Und zu dem über 10.00 Quadratmeter Grundstück gehören? Der samt Umgebung „nur“ etwas über zwei Millionen Euro kosten soll, danach aber wohl Richtung 20 Millionen an Investitionen für Nutzung und Modernisierung erfordern dürfte. Und das, wo der Denkmalschutz den Komplex inzwischen in seine Liste aufgenommen hat. Nicht zu vergessen die besondere Geschichte des Gebäudes: Erbaut von den Nationalsozialisten zwischen 1934 und 1938 als Bestandteil einer Kaserne als Offizierscasino samt Bunkeranlage. Und nach dem Ende des 2. Weltkriegs bis 1998 von der US-Armee erneut als Offizierscasino genutzt. Was also tun? Diesem Problem vor der Fragestellung von Erinnerungskultur widmete sich jetzt ein Podiumsgespräch mit vorangegangener Führung des Augsburger Presseclubs im ehemaligen Offizierscasino in der früheren Sheridan-Kaserne, heute Sheridan-Park. Edgar Mathe, ehemaliger Chef der Wohnbaugruppe Augsburg und profunder Kenner der jüngeren Augsburger Stadtgeschichte erklärte mit besonderem Blick auf die Jahre als Garnisonsstadt der US-Armee den heutigen Zustand des Bauwerks. Anschließend diskutierten unter der Moderation von Presseclub-Vizevorsitzendem Alfred Schmidt und a3-Kulturmagazin-Herausgeber Jürgen Kannler Dr. Hilde Strobl, in Augsburg lebende Architekturhistorikerin an der Uni Innsbruck, Dr. Barbara Wolf (ehemals Architekturmuseum Augsburg) sowie Mark Dominik Hoppe, der derzeitige Chef der Wohnbaugruppe, die das Gebäude treuhänderisch verwaltet, über Ideen einer künftigen Nutzung.
Hoppe bemühte jenen märchenhaften Goldtopf, mit dem ausgestattet sich jemand als Investor für dieses Gebäude finden müsste. Jemand, der das Gebäude aus seinem nun schon über 20 Jahren andauernden, teuren Märchenschlaf erweckt und ihm neues Leben einhaucht. Jemand, der sich um ein dichtes Dach ebenso kümmert wie um die Erneuerung der Innenräume und der Außenanlage, der Forderungen des Brandschutzes ebenso erfüllt wie jene der Wärmeisolierung. Es habe sich im Rahmen eines vergangenen Interessenbekundungsverfahrens relativ klar gezeigt, dass in dem ehemaligen Offizierscasino eine Hotelnutzung favorisiert werde. Oder doch nicht? Dürfen frohgemute Familienfeste gefeiert werden, wo sich ehedem Nazi-Größen amüsiert hatten? Bei einer Verwendung des Komplexes für Hotellerie und Gastgewerbe könnten die denkmalgeschützten und für Augsburg historisch interessanten Säle, das Offizierscasino der Nationalsozialisten plus der große Saal, der auf Veranlassung der US-Armee später angebaut worden war, in entsprechender Form genutzt werden. Heißt, dort könnten beispielsweise Mahlzeiten eingenommen werden, dort könnten Tagungen und Kongresse abgehalten werden, dort könnten schließlich auch Feste und Feiern Platz finden. Für die Unterbringung der Gäste, so Mark Dominik Hoppe, wäre wohl ein Neubau der Übernachtungszimmer notwendig, was sich aber auf dem umgebenden Gelände verwirklichen ließe. Aber: Derzeit, wie schon seit etwa 20 Jahren, sehe es nicht so aus, als stünden Investoren bei der Stadt Schlange. Womit ein etwaiger Interessent zudem klarkommen müsste: den Anforderungen des Denkmalschutzes.
Die Frage der Nutzung: Sie stand auch bei der anschließenden Gesprächsrunde im Mittelpunkt. Vor allem Dr. Hilde Strobl, in Augsburg lebende Architekturhistorikerin an der Uni Innsbruck, und Dr. Barbara Wolf vom Architekturmuseum Augsburg versuchten, die Bedeutung des Gebäudes einzuordnen. Ja, das Offizierscasino sei ein Symbol des Nationalsozialismus. Von daher seien die Verantwortlichen gut beraten, eine Nutzung zu finden, die den ursprünglichen Zweck des Gebäudes in gewisser Weise sogar konterkariere, um keine Anlaufstelle für „Rechte“ zu schaffen. Gut gelungen sei dies mit dem anderen in Augsburg erhaltenen Offizierscasino, dem heutigen Kulturhaus Abraxas. Dessen aktuelle Nutzung schaffe einen Kontrapunkt zu seiner ursprünglichen Funktion. Ob dies auch beim Casino in der Sheridan-Kaserne zu schaffen sei? Es wurde klargestellt, dass – auch aufgrund der baulichen Veränderungen durch die US-Armee – nicht von einem „Täterbau“ zu sprechen sei. Die anschließende Fragerunde erbrachte unter anderem mehr oder weniger spontane Ideen für weitere Nutzungen, offensichtlich aber nichts, was nicht schon bedacht und geprüft worden war. Nicht auszuschließen also, dass die Wohnungsbaugenossenschaft auch weitere lange Jahre jeden Winter zehntausende von Euro für eine Heizung des Gebäudekomplexes aufzubringen hat, um Selbigen frostfrei zu halten, damit keine Schäden entstehen.
Zu Beginn der Veranstaltung hatte Edgar Mathe die Gäste des Presseclubs durch Teile des Gebäudes geführt. Dabei wurden unter anderem der Eingangs- und Empfangsbereich in Augenschein genommen, ebenso das Offizierscasino aus der NS-Zeit mit seinem monumentalen Bühnengemälde der Lechfeldschlacht und den Saal, den die US-Amerikaner angebaut hatten. Die damaligen Küchenräume konnten ebenso besichtigt werden wie ein Weinstüble im Keller mit einer bis zu 70 Zentimeter starken Betondecke – Teil der Bunkeranlage aus der NS-Zeit.

Michael Siegel


Fotos: Robert Linsenmeyer