Gedruckte Zeitung ja, aber …

Der Augsburger Presseclub diskutiert über den „Journalisten der alten Schule – ein Auslaufmodell?“

Ja, es wird wohl auch noch in einigen Jahrzehnten auf Papier gedruckte (Tages)Zeitungen geben. Aber so ganz sicher waren sich die Podiumsteilnehmer einer Veranstaltung des Augsburger Presseclubs in Sachen Zukunft des Journalismus nicht. Zumal die Jüngste auf dem Podium, Volontärin bei der Augsburger Allgemeinen, erkennen ließ, dass sie persönlich beim Internet-Auftritt von Zeitungsverlagen mehr Potenziale für modernen Journalismus sieht und hier mehr Herzblut investieren würde als in die klassische Print-Zeitung.

„Journalist der alten Schule – ein Auslaufmodell?“ lautete die Frage des Abends. Das digitale Zeitalter mit Social Media, Klicks und Online-Quoten und der gesellschaftliche Wandel hätten die Arbeit in den Redaktionen beträchtlich verändert und für das Berufsbild des Journalisten einen radikalen Wandel mit sich gebracht – mit positiven Auswirkungen, aber nicht nur. Datenjournalismus und Co. Eröffneten, so die Ausgangsthese, nicht für möglich gehaltene Recherche-Techniken, die zur Aufdeckung internationaler Mega-Skandale geführt haben. Moderne Medienleute seien aber auch getrieben von den Regeln digitaler Aufmerksamkeitsökonomie. In der Folge störten sich viele Menschen an medialer Aufgeregtheit und Übertreibungen. Wohin der Weg von Journalistinnen und Journalisten führt? Darüber sprachen Medienforscher Dr. habil. Christian Schwarzenegger von der Uni Augsburg, Uli Bachmeier, Journalist alter Schule und Landtagskorrespondent in München, Ausbildungsredakteurin Lea Thies sowie die Nachwuchsjournalistin Laura Mielke (alle Augsburger Allgemeine). Das Gespräch im Sparkassenforum der Augsburger Stadtbücherei moderierte Alfred Schmidt, stellvertretender Vorsitzender des Augsburger Presseclubs. Und er begann mit der Frage nach Veränderungen, die zumindest die erfahreneren Podiumsteilnehmer wahrgenommen haben. Er fühle sich mittlerweile als „Saurier“, beschrieb Uli Bachmeier, der mittlerweile seit 40 Jahren als Journalist arbeitet. Bachmeier ohne Umschweife: „Ich habe meine Arbeitsweise nicht geändert. Ich habe immer noch meinen Schreibstift und den Block, nutze zwar das Internet, aber keine sozialen Netzwerke.“ Diese nannte Bachmeier „Zeitdiebe“, bei denen für seine journalistischen Themengebiete als Landtagskorrespondent kaum Relevantes zu finden sei.

Lea Thies bezeichnete sich als Angehörige der ersten „Generation Computer im Journalismus“, in ihrer Anfangszeit habe es zumindest schon auf einem Rechner Internet gegeben. Laut Thies hätten sich die Informationskanäle verändert, die journalistischen Basics seien gleich geblieben: „Nur Internet allein hilft nicht weiter“, so die Journalistin. 

Wissenschaftler Christian Schwarzenegger, in seiner Fakultät auch der Medienhistoriker, bekräftigte, er fühle sich unter journalistischen Sauriern wohl. Als große Veränderung benannte er das Umfeld, unter dem Journalismus heute stattfinde. Als da seien neue Publikumsgenerationen und deren Journalismus- und Informationsverständnis. Schwarzenegger nannte dazu „imitierende Formen von Journalismus“, die es online ständig gebe sowie ein verändertes Verständnis für Informationsquellen. Der Einzelne sei heute ganz anders gefordert, das zu bewerten, was ihm begegne. Junge Nutzer riefen ja bekanntlich vielfach nicht direkt die Internetseite der Augsburger Allgemeinen auf, sondern kämen über Weiterempfehlungssysteme wie die sozialen Medien oder persönliche Netzwerke zu bestimmten Themen. Es habe eine enorme Verschiebung von Verantwortung stattgefunden. Journalismus sei nur noch eine von mehreren Stimmen – möglicherweise die Beste, aber nicht unbedingt diejenige, auf die man höre.

Als weiteren Themenschwerpunkt benannte Alfred Schmidt jenen des sogenannten Haltungsjournalismus, wenn ein Medium also ausgewiesener- oder erkennbarermaßen für bestimmte Werte stehe, was teilweise der früher geforderten journalistischen Distanz entgegenstehe.

Für Laura Mielke ist dieser Haltungsjournalismus kein Problem, wenn es um bestimmte Anliegen geht wie Rassismus oder Menschenverachtung. „Wir können nicht komplett objektiv sein, wir haben alle unsere Werte“, so die Redakteurs-Auszubildende, und: „Wir geben unser Bestes.“ Eine Unterscheidbarkeit zwischen einem Meinungsbeitrag wie einem Kommentar und einem Sachbeitrag wie einem Bericht sollte gewährleistet sein. Gewisse Tendenzen in der Ausrichtung einer Redaktion könnten bereits durch die (Nicht-)Auswahl bestimmter Themen gesetzt werden. 

Lea Thies verwies auf die Idee des den sogenannten „konstruktiven Journalismus“, der auf Lösungsvorschläge setzt statt auf Sensation oder Skandal.

Nach Worten von Christian Schwarzenegger ist jede Beobachtung Standpunkt gebunden, es bleibe die Frage, wie man damit umgehe. Während die Nutzer bei vielen Medien raten müssten, sei die Sache etwa beim Sender „Russia Today“ einschätzbar, der verkünde die Sicht des Kreml aus Moskau. Ein Problem bei dieser Debatte: wenn gezielt der Eindruck von Unglaubwürdigkeit der Medien gestreut werde, Thema „Lügenpresse“: Anstatt sich Punkt für Punkt mit Argumenten eines Gegenübers abzutun, werde pauschal der Überbringer einer Botschaft angegriffen. Schwarzenegger verwies in diesem Zusammenhang auf eine groß angelegte Untersuchung seines Lehrstuhls in Sachen „alternative Medien“, bei denen versprochen werde, dass es eine andere Version der Wahrheit gebe, während der (regierungstreue) Journalismus lügt. 

Und computerbasierter Journalismus, wie ihn neuerdings die Plattform „Chat GPT“ ermögliche, was wiederum den Menschen in derartiger Position entbehrlich zu machen drohe? 

Laura Mielke, am Anfang ihres Berufslebens befindlich, hofft gleichwohl auf eine langfristige Existenzgrundlage, im Journalismus. Ihre Ausbilderin Lea Thies setzt größere Hoffnung auf journalistischen Nachwuchs, der unersetzbares Gespür für neue Themen mit sich bringe. Uli Bachmeier: „Chat GPT kann den Schrott machen wie „Die zehn besten Balkonpflanzen für Faule“. Journalisten machen indes eine anspruchsvolle Geschichte, selbst wenn sie ein sperriges Thema behandle, welches weniger großes Publikumsinteresse verspreche.

Michael Siegel


Fotos: Klaus Rainer Krieger