Der Strecke fehlt das Wasser:
Augsburg sorgt sich um seine Kanuslalom-WM

Augsburger Presseclub besucht gerade eben runderneuerte 50 Jahre alte Anlage am Lech

Und dann herrscht Wassermangel! Mit großer Verunsicherung, was die Austragung der Kanuslalom-Weltmeisterschaft am Eiskanal anbetrifft, gingen die Zuständigen aus Augsburg in die letzten Tage vor einem der größten kanusportlichen Ereignisse seit den Olympischen Spielen 1972. Über 7000 Zuschauer täglich, insgesamt mehr als 20.000 Gäste, werden im Augsburger Stadtteil Spickel erwartet. Wenige Tage vor dem Großereignis mit über 300 Aktiven und rund 500 Betreuern aus 50 Nationen stattete eine Gruppe des Augsburger Presseclubs der Anlage am Lech einen Besuch ab. Organisationsleiter Johannes Heiß und Wettkampfleiter Fabian Dörfler begleiteten die Gäste und beantworteten alle Fragen. Und: Quasi rechtzeitig zum Besuch des Presseclubs war es den Verantwortlichen gelungen, so viel Wasser in die Rennstrecke zu leiten, dass die Sportlerinnen und Sportler mit ihren Booten nach Tagen des Wartens wieder trainieren konnten.
Das große Problem an den Tagen vor der Weltmeisterschaft: die anhaltende Trockenheit und Hitze in großen Teilen Europas, die auch den Wasserstand am Lech auf einen historischen Tiefstand abfallen ließ. Nur mehr rund 25 Kubikmeter Wasser pro Sekunde passierten den Hochablass, Augsburgs großes Wehr und zentrale Wasserverteilanlage. Von diesen 25 Kubikmetern benötigt allein die Kanuslalom-Strecke rund zehn Kubikmeter, um dort Sport betreiben zu können, erklärte Fabian Dörfler, selbst einmal Kanu-Spitzensportler und Weltmeister von 2005. Die zehn Meter breite, künstlich erbaute Kanuslalom-Strecke passiert in einem 660 Meter langen Bogen das Hochablass-Wehr und diente früher dazu, Treibeis an diesem vorbei und zurück in den Fluss zu leiten. Allerdings würden mehrere Kubikmeter Lechwasser für die verschiedenen Augsburger Stadtkanäle benötigt und nicht zuletzt auch das Flussbett als natürlicher Lebensraum seinen Anteil fordern. Konsequenz: Mehrere Tage lang war die Kanuslalom-Stecke plötzlich ohne Wasser. Dörfler und Heiß traten dem Gerücht entgegen, das kostbare Nass könnte aus wirtschaftlichen oder touristischen Gründen im rund 100 Kilometer flussaufwärts im im Ostallgäu gelegenen Forggensee zurückgehalten werden, der dort den Lech aufstaut. Dies treffe nicht zu, auch am Forggensee bei Füssen herrsche Wasserknappheit. Zuletzt schritten die Weltmeisterschafts-Veranstalter, unterstützt vom Augsburger Tiefbauamt und den zuständigen Behörden zur Tat: Der Wasserdurchfluss des benachbarten, ebenfalls künstlich angelegten Hauptstadtbachs wurde durch den Einbau zweier großer Betonschwellen reduziert. Auch hierbei sei zuvor auf natürliche Lebensräume geachtet worden. Und es seien die Belange von Badegästen im nahegelegenen und vom Hauptstadtbach durchströmten Freibad Fribbe berücksichtigt worden. Aber der Gewinn von etwa zwei Kubikmetern Wasser pro Sekunde für die Kanuslalom-Strecke habe ausgereicht, um noch am Nachmittag wieder den Trainingsbetrieb zu ermöglichen. Heiß und Dörfler zeigten sich optimistisch, dass es hinsichtlich der Wasserversorgung gelingen werde, die Kanuslalom-WM wie geplant durchführen zu können, unabhängig von möglicherweise in der Zwischenzeit noch niedergehendem Regen im Einzugsgebiet des Lechs.
Die Kanuslalom-Weltmeisterschaft und die Strecke am Eiskanal haben in Augsburg eine „Leuchtturm-Funktion“, wurde bekräftigt. Schließlich zähle der Eiskanal seit einigen Jahren zum Weltkulturerbe der Augsburger Wasserwirtschaft. Dann jähre es sich heuer zum 50. Mal, dass die Kanuslalom-Wettbewerbe der Olympischen Sommerspiele Münchens in Augsburg ausgetragen worden waren. Zur großen Freude der Veranstalter haben selbst noch nach so langer Zeit mehrere der damaligen aktiven Sportlerinnen und Sportler ihr Erscheinen zum Jubiläum in Augsburg angekündigt. Nicht zuletzt für dieses Jubiläum haben mehrere Stellen tief in die Taschen gegriffen. Die Stadt Augsburg, der Freistaat Bayern und die Bundesrepublik Deutschland hätten eine Summe von rund 21 Millionen Euro aufgewendet, um die Strecke und ihre Anlagen auf die nun bestehende Form zu bringen. Worauf alle Beteiligen besonders stolz sind: Trotz Corona-Krise habe man den Zeitplan der Modernisierung ebenso einhalten könne wie den Kostenrahmen.
Zehn Disziplinen stehen auf dem Programm der Augsburger Kanuslalom-Weltmeisterschaft, je fünf bei Männern und Frauen. Den Auftakt machen die Mannschaftswettbewerbe. Dann folgen die Kajak-Einer und die Canadier-Einer, bevor die WM am Sonntag mit den spektakulären Rennen im Slalom Extreme zu Ende geht.
Bei einem Rundgang über die Anlage konnten sich die Gäste des Presseclubs vom gelungenen Umbau der Anlage und ihrer Bauten überzeugen. Was sich unmittelbar an der Rennstrecke geändert hat, wird sich in erster Linie den aktiven Benutzern erschließen. Wichtig für den Ablauf der sportlichen Wettkämpfe sind jene Verbesserungen, die im Gebäude für die Rennleitung und die Kampfrichter vorgenommen wurden. Auch die erwarteten insgesamt 150 Medienvertreter werden neue, moderne Arbeitsplätze in Beschlag nehmen können. Freilich wurde auch an die Athleten gedacht, für die es verschiedene erneuerte Funktionsgebäude geben wird. Abgeschlossen wurde der Besuch der Presseclub-Gäste mit einer deftigen Portion bayerischen Wurstsalats – ebenso wie ihn die Athleten serviert bekamen – und einem Bier oder Radler. Hier gab es für die Sportlerinnen und Sportler stattdessen Obst und Joghurt.

Michael Siegel


Fotos: Robert Linsenmeyer