Story statt Schloss


Podiumsdiskussion zu Augsburgs erfolgreicher Bewerbung als Welterbestadt mit seiner Wasserwirtschaft

Im Juli 2019 war es so weit: Augsburg kommt mit seiner Wasserwirtschaft auf die Liste des UNESCO-Weltkulturerbes, auf eine Liste mit der Chinesischen Mauer, den Pyramiden von Gizeh oder der New Yorker Freiheitsstatue. Es war zweifellos einer der größten Erfolge für Augsburg in den vergangenen Jahren. Wie kam es zu diesem Erfolg? Was hat das Ganze gekostet? Wie geht es nun weiter mit Augsburg als Welterbestadt? Diese und viele andere Fragen erörterte Nicole Prestle (Redaktionsleiterin der Augsburger Allgemeinen) mit Ulrich Müllegger (Welterbe-Koordinator), Thomas Weitzel (Augsburgs Kulturreferent), Götz Beck (Augsburgs Tourismus-Chef) und Martin Kluger (Sachbuch-Autor und Verlagsleiter).

Kluger als der Ideengeber erklärte zur Geschichte der Bewerbung: Ausgehend von einer Anfrage von Götz Beck, „etwas in Sachen Weltkulturerbe, etwa mit dem Rathaus und der Fuggerei zu machen“, habe er sich eines „Wissens-Blocks“ erinnert, den er seit Jahren, unter anderem durch die Schaffung des LEW Museums in Langweid im Jahr 2008 und einer geplanten Kulturhauptstadt-Initiative Augsburgs in sich getragen habe. Das Problem für eine Weltkulturerbe-Bewerbung: Deutschland war generell überrepräsentiert in der UNESCO Liste und gar extrem in Sachen Bauten. Es galt also, als deutscher Bewerber der UNESCO etwas mehr zu bieten als Bauwerke – eine „Story“. Rathaus und Fuggerei waren zudem nach dem Krieg zu sehr zerstört, um als Originale gelten zu können. Also kam der Vorschlag der Bewerbung mit der Wasserwirtschaft.

Die Besonderheiten des Augsburger Themas erläuterte Uli Müllegger: Nach seinen Worten wären alle 22 Augsburger Objekte alleine nicht Welterbe-würdig, nicht einmal die drei Monumentalbrunnen in der Maximilianstraße. Die Story der Wasserwirtschaft mache die Besonderheit aus, Kern des Themas sei die Nachhaltigkeit. Schon im 11., 12. Jahrhundert seien Mühlen in der Stadt verzeichnet, also gab es schon Kanäle. Man rede über mindestens 1000 Jahre Geschichte und eventuell auch noch mehr, betrachte man die Anlagen der Römer in der von ihnen vor über 2000 Jahren zwischen den Flüssen Lech und Wertach gegründeten Stadt. Kenntnisse über Trinkwasser und Brauchwasser, über Hebewerke, Pumptechniken, Wasserbrunnen in der Oberstadt, das und vieles mehr charakterisiere die Augsburger Wasserwirtschaft – eine Form der Daseinsvorsorge immer von Bürgern für Bürger.

Thomas Weitzel stellte klar, dass in der Stadtverwaltung „nicht gleich alle Hurra geschrien“ hatten. Problematisiert worden sei etwa die Frage der Kosten einer solchen Bewerbung. Es habe Diskussionen gegeben, niemand wusste über die Konsequenzen Bescheid, manchen trieben Sorgen über die Folgen einer Welterbestadt um. Als er selbst 2014 in das Thema eingestiegen sei, sei ihm klar gewesen, „dass das eine unheimliche Chance ist, nicht nur in Hinblick auf touristische Verwertung“ sondern auch in Hinblick auf das das Aufzeigen und Bewahren von mindestens 800 Jahren Nachhaltigkeitsgeschichte. Weitzel wies auch auf das Zukunftspotenzial für die Wissenschaft hin: „Wir laden unsere Lehrstühle auf in Sachen Welterbe“. Schließlich sei das Thema nicht mehr zu bremsen gewesen, als man auf dem dritten Platz der nationalen Bewerberliste gelandet sei.

Tourismus-Chef Götz Beck führte aus, was ein Welterbe-Titel bringen könne. So habe Augsburg Anfang 2000 keine europaweite Wahrnehmung gehabt. Man habe etwas machen müssen, „um wieder auf die Weltkarte zu kommen.“ Jetzt bekomme die Stadt wieder mehr Wahrnehmung, nicht nur im Tourismus, sondern auch in der Bildung oder der Wirtschaftsförderung. Das Welterbe sei eine Mega-Chance für die Zukunft, tue der Stadt und der Region gut. Beck: „Fachkräfte gehen gerne in attraktive Städte.“ Viele Touristen gestalteten zudem ihre Reisen nach Welterbestätten im Wissen, hier etwas Besonderes zu finden. Dabei stelle sich Augsburg jedoch das Kommunikationsproblem eines komplexen Themas, nicht des einen Highlights Schloss, Burg, Kirche.

Was zu der spannenden Frage führte, wie es in Augsburg weitergeht in Sachen Welterbe. Ob man denn viel investieren müsse oder die 22 Einzeldenkmäler gut in Schuss seien? Laut Kulturreferent Weitzel sei der nächste Punkt der 1. Februar mit einem Festakt im Goldenen Rathaussaal, wenn die parlamentarische Staatssekretärin Michelle Müntefering Augsburg die offizielle Ernennungsurkunde überreicht. In absehbarer Zeit fertig werden soll ein Welterbe-Infozentrum am Rathausplatz („Wasserladen“) als Einstiegs-Modell und -angebot in das Thema, gleichsam ein „Verteilzentrum“. Denn die Stadt favorisiere ein dezentrales Modell mit einzelnen Kapiteln aus der Bewerbung. Natur, Technik und Kunst machten das Thema aus, passten aber nicht zentral in ein Besucherzentrum. 

Ein erster Baustein soll das Maximilianmuseum werden. Hier stehen im Viermetzhof die Originalfiguren der Prachtbrunnen, hier sind viele der historischen Brunnen- und Pumpenmodelle zu sehen, deren Original-Bauten nicht erhalten sind. Baustein 2 bereite etwas Kopfzerbrechen, so Weitzel, da es wegen der Bausubstanz nicht möglich sei, größere Besucherströme durch die Wassertürme am Roten Tor zu führen. Dennoch sei erwünscht, hier als Baustein 2 die technische Komponente des Augsburger Welterbes zu präsentieren. Dritter Baustein könnte das Wasserwerk am Hochablass sein, das quasi die Wassertürme abgelöst habe. Hier könnten mehr Besucher empfangen werden, hier könnte auch das abgefangen werden, was in den Wassertürmen nicht gehe. Als vierter Baustein sei das Lechmuseum der Lechwerke in Langweid am Lech vorstellbar, wo die Komponente „Energie“ dargestellt werde. Nicht alle 22 Objekte unbedingt zu präsentieren erlaube die UNESCO, wichtigstes Kriterium sei der Erhalt der Denkmale. Augsburg beabsichtige aber jedenfalls, an jedem seiner 22 Objekte mit je einer Stele auf das Welterbe hinzuweisen.

Ulrich Müllegger ergänzte, dass das neue Umweltbildungszentrum ein großes Plus für das Thema bringen werde, indem es die Komponente Natur darstellen werde. Man wolle den Titel nachhaltig und konsequent ausbauen, so Weitzel, denkbar sei ein wasserwirtschaftlicher Lehrstuhl an einer Hochschule.

Etwas strittig war unter den vier Experten die Frage, inwieweit man bei der Präsentation des Welterbes mit seinen 22 Objekten über den Rand hinausschauen und Querverbindungen darstellen könnte – oder dadurch das Thema zu stark verwässert würde.

In der anschließenden Diskussion wurde erläutert, dass es keine Käseglocke der UNESCO über der Stadt gebe. So sei einer Weiterentwicklung der Kanuslalom-Strecke für die WM 2022 stattgegeben worden und auch eine erforderliche Fischtreppe am Hochablass dürfe gebaut werden. Man müsse eben Rücksprache mit dem UNESCO-Sitz in Paris nehmen, um den Titel nicht zu gefährden.Zum Thema kosten erläuterte Weitzel, dass die Bewerbung rund 1,8 Millionen gekostet habe. Darunter sei Geld der Stadt, aber auch solches der Stadtwerke und der Lechwerke als Förderer. Freilich werde es nicht gelingen, die Thematik über Eintrittsgelder und Souvenirverkäufe kostendeckend zu gestalten, aber alle Experten waren sich einig: Das Welterbe werde sich auf Dauer für die Stadt auszahlen als Marke, als Markenstandort. Augsburg könne ein Hotspot für Führungskräfte werden, könne Kongresse, Tagungen, Projekte gewinnen. Laut Götz Beck werde der Tourismus Leitökonomie für die Stadt. Augsburg komme demnächst auf 7000 Hotelbetten, habe 20.000 Arbeitsplätze im Tourismus in der Stadt. Da werde Geld verdient, auch durch die Stadt über Gewerbe- und Einkommenssteuer. Der Mehrwert durch einen Markenbildungsprozess werde sich für die Stadt rechnen. Man bekomme Menschen in die Stadt, das sei wertvoll für viele bis hin zum Einzelhandel.

Michael Siegel


Info

Die folgenden 22 Objekte aus der Stadt Augsburg und dem angrenzenden Landkreis zählen seit 2019 zum UNESCO-Weltkulturerbe Augsburger Wasserwirtschaft:

  • Wasserwerk am Roten Tor,
  • Unteres Brunnenwerk,
  • Brunnenwerk am Vogeltor,
  • Augustusbrunnen,
  • Merkurbrunnen,
  • Herkulesbrunnen,
  • Stadtmetzg,
  • Lechkanäle,
  • Düker Galgenablass,
  • Lechwehr Hochablass,
  • Wasserwerk am Hochablass,
  • Kanustrecke Eiskanal,
  • Kraftwerk am Stadtbach,
  • Kraftwerk am Fabrikkanal,
  • Kraftwerk am Senkelbach,
  • Kraftwerk am Proviantbach,
  • Kraftwerk an der Singold,
  • Kraftwerk am Wertachkanal,
  • Kraftwerk an der Wolfzahnau,
  • Kraftwerk Gersthofen,
  • Kraftwerk Langweid,
  • Kraftwerk Meitingen. 

Bilder: Michael Siegel