Mordserien und verschwundene Knöllchen


Polizeireporter Utzni im Gespräch

Viele Jahre gehörte er zu Augsburgs bekanntesten Journalisten, weil er immer zur Stelle war, wenn es in der Stadt und im Umland richtig hoch herging. Klaus Utzni arbeitete als Polizei- und Gerichtsreporter bei der Augsburger Allgemeinen Zeitung (AZ). Als dieser war er oft schon wenige Minuten nach einem Kapitalverbrechen ebenso vor Ort, wie Monate später bei der Urteilsfindung vor Gericht. Nach einem Intermezzo als Betriebsrat ist der inzwischen 71-jährige Rentner wieder freiberuflich als Gerichtsreporter für seine Zeitung im Einsatz. Im Presseclub erzählte er jetzt von halsbrecherischen Fahrten im Streifenwagen, von Schießereien, der RAF, dem Disco-Mord, verschwundenen Strafzetteln und vielem anderen mehr. Und erzählte damit von den großen Veränderungen, die die Zusammenarbeit zwischen Journalisten und Polizisten in den vergangenen fast 50 Jahren erfahren haben. Seine Gesprächspartner waren Presseclub-Vorsitzender Wolfgang Bublies (Augsburg-Journal) und Alfred Schmidt, stellvertretender Presseclub-Vorsitzender und langjähriger Ressortleiter Lokales bei der AZ. Beide haben viele Jahre lang mit Utzni zusammengearbeitet. Dabei war der Weg des jungen Klaus Utzni eigentlich zunächst ein anderer. Der Sohn eines Uhrmachers aus dem Lechfeld begann eine Ausbildung zum Verlagskaufmann bei der AZ. Es dauerte aber nicht lang, da brach seine Liebe zur Polizei wieder durch. Eine Liebe, die ihn schon als Kind den einen oder anderen Sonntagsgottesdienst habe versäumen lassen, wenn im Ort irgendwo ein Martinshorn zu hören war oder eine Radarfalle stand.

tzni erinnerte an seinen Reporter-Vorgänger Hans Roland Fässler, der der Legende nach bei der Polizei einen eigenen Spind mit einem Gummiknüppel hatte und der Dauergast in den Funkwagen der Beamten gewesen sei. Zumindest die regelmäßigen Mitfahrten in Streifenwagen der Polizei seien immer wieder erlebnisreich gewesen, so Utzni. Selbst dann, wenn man sich urplötzlich in einer Verfolgungsjagd auf der Autobahn mit Tempo 180 wiederfand (schneller fuhren Autos damals noch nicht) oder es mit 120 km/h durch die Stadt ging. Darüber hinaus müsse klar sein, dass es heute nicht mehr möglich sei, dass Journalisten so einfach im Streifenwagen mitfahren. Allein der Presseverteiler der Polizeidirektion Nordschwaben mit Augsburg umfasse inzwischen rund 150 Einträge. Utzni betonte, stets eine gewisse Distanz zur Polizei gehalten zu haben, um auch kritisch berichten zu können. Obwohl er mit so manchem Beamten per Du gewesen sei, habe er doch mit dem einen oder anderen Polizeichef seinen Strauß ausgefochten. Utzni nannte den Fall einer versuchten Vergewaltigung, bei deren Aufklärung ein Student ins Visier der Polizei geraten gewesen sei. Der sei von den Beamten verprügelt worden und berichtete dies tags darauf mit seinem Anwalt der Presse. Auf seinen Bericht hin, so Utzni, seien längere Zeit später zwei Beamte verurteilt worden, der damalige Innenminister Edmund Stoiber habe sich entschuldigen müssen. Und er, Utzni, sei längere Zeit von den Polizei-Oberen gemieden worden. Ob in jedem von uns ein möglicher Gewaltverbrecher oder gar Mörder stecke, wollte Alfred Schmidt von Utzni wissen. Und der musste aufgrund seiner langjährigen Erfahrung eingestehen: Am Aussehen kann man einen Gewalttäter nicht erkennen. Vieles komme auf die Umstände an und am Ende gelte, was schon Goethe feststellen habe müssen: In jedem Menschen steckt ein Mörder.

Zu Beginn seiner Polizeireporter-Laufbahn stand für Utzni die Zeit der Roten-Armee-Fraktion. Just an dem Tag, als in der Prinzregentenstraße vor dem Polizeirevier ein Sprengsatz explodiert war, habe er frei gehabt. Dafür war er 1972 als Berichterstatter vor Ort, als der gesuchte Terrorist Thomas Weisbecker in Augsburg im Zuge einer versuchten Verhaftung erschossen wurde.

Befasst war Utzni auch noch mit den Auswirkungen der „Augsburger Frauenmorde“, einer Verbrechensserie, der schließlich 13 Morde an Frauen, zum Teil Prostituierten, zugerechnet worden waren. Es habe sich aber gezeigt, dass nicht ein einzelner Serientäter für die Morde in den 60ern und 70ern verantwortlich war, sondern offenbar verschiedene Täter. Manche von ihnen, Soldaten der in Augsburg stationierten US-Armee, hätten nie bestraft werden können, da sie schnell wieder in ihr Heimatland versetzt worden seien.

Ähnliche Schlagzeilen, auch bundesweit, habe Augsburg und die Region Anfang der 90er Jahre gemacht mit der sogenannten Disco-Mafia. Insgesamt vier Menschen seien bei Auseinandersetzungen im Milieu umgebracht worden, darunter in Dasing eine 16-jährige Disco-Besucherin, ein Zufallsopfer.

Und dann war da noch die Sache mit den Strafzetteln einer Kollegin aus der Kulturredaktion, die sich bei ihren Theater-Besuchen öfters Park-Strafzettel einhandelte. Auf ihr Bitten hin habe er, Utzni, bei der Polizei eine gewisse Amnestie für die Kollegin erreichen können, die daraufhin das eine oder andere Knöllchen erlassen bekommen habe. Als jedoch die Begehrlichkeiten aus dem Kollegenkreis zunahmen und auch Tempo- oder Rotlichtverstöße beiseite geschafft werden sollten, sei dieses Thema erledigt gewesen.

Wie sich all diese Ereignisse auf ihn persönlich ausgewirkt haben? Utzni muss nicht lange überlegen: Noch heute erscheine immer wieder das Bild eines kleinen Mädchens, das gerade in den Sarg gelegt wird, vor seinen Augen. Die Schülerin war in den 1990ern bei einem Verkehrsunfall in der Ackermannstraße von einem stürzenden Motorradfahrer getötet worden. Und: Er selbst habe furchtbare Ängste für die eigene Familie entwickelt, hege wohl tatsächlich ein übersteigertes Sicherheitsempfinden. Was Moderator Alfred Schmidt vor Jahren bei einer Pressereise als Zimmergenosse von Utzni in Paris selbst erlebt hatte, praktiziere er bis heute, so der Polizei-Reporter. In jedem Hotel inspiziere er gründlich die Notfall- und Rettungspläne, um im Fall der Fälle rechtzeitig flüchten zu können. Trotz allem, so Utznis Fazit: „Ich schlafe immer gut.“

Michael Siegel


Bild: Michael Siegel