„Spitzenmedizin wie in München und Hamburg“


Podiumsgespräch zur Situation des Augsburger Krankenhauses ein Jahr nach der Umwandlung zur Universitätsklinik

Gut ein Jahr ist es her, dass zum Jahreswechsel 20819/2019 aus dem kommunalen Zentralklinikum das staatliche Universitätsklinikum Augsburg wurde. Welche ersten Ergebnisse liegen vor, haben sich die vorgegebenen Rezepte bewährt? Wie wirkt sich die Klinikums- Aufwertung für die Patienten aus? Gibt es dafür genügend Fachkräfte? Welche Chancen bieten die neuen Studiengänge? Solche und ähnliche Fragen wurden im Augsburger Presseclub diskutiert. Auf dem Podium saßen neben den Moderatoren Marion Buk-Kluger (freie Journalistin) und Presseclub-Vorsitzendem Wolfgang Bublies der ärztliche Direktor Prof. Michael Beyer, Gründungsdekanin Prof. Martina Kadmon, kaufmännischer Direktor Michael Bungarten und Pflegedirektorin Susanne Arnold. 

Was denn eigentlich eine Gründungsdekanin macht, nachdem die Uniklinik ja bereits gegründet ist, wurde Kadmon einleitend gefragt. Zuvorderst, so die Professorin, sei da die Personalakquise, Berufungsverfahren, die Gewinnung weiterer Wissenschaftler außerhalb des professoralen Bereichs. Am meisten beschäftige ihr Team derzeit aber die Flächenschaffung. Labore, Büros und vieles andere mehr gelte es zu bauen, insgesamt 37.000 Quadratmeter neue Flächen für Forschung und Lehre würden auf dem neuen Campus entwickelt. Die ersten Neubauten sollen ab 2023/2024 entstehen, wenn alles optimal läuft, werde 2035 ein Ende der Bauarbeiten abzusehen sein. Unterdessen müsse man sich um Zwischenlösungen bemühen. Nicht zuletzt gelte es, für die anfangs etwa 85 Studierenden pro Semester alles vorzubereiten. Ein Bereich, der künftig größere Bedeutung gewinnen werde, ist für die Gründungsdekanin und ihr Team die Drittmittelakquise. Rund 100 Professoren werde die Uniklinik Augsburg planmäßig umfassen. Darunter, so Kadmon werden einige sein, die bereits Professoren in Augsburg sind, aber über 80 Stellen seien neu zu besetzen. Dabei sei zu bedenken, dass es nicht nur um nicht nur klinische Professoren gehe, sondern auch solche mit den „Augsburger Schwerpunkten“ Umwelt und Gesundheit sowie Digitale Forschung. Im Erfolgsfalle werde die Uniklinik in sechs bis acht Jahren komplett besetzt sein. Bislang seien 16 neue Berufungen von Professoren erfolgt. „Wir haben in allen Ausschreibungen viele gute und zahlreiche Bewerbungen“ 

so Kadmon, und: Obwohl die Medizin in Augsburg im Aufbau befindlich sei, habe man für die 85 ersten Studienplätze fast 9000 Bewerber gehabt, ein Verhältnis ähnlich viele wie an anderen Standorten auch. Viele möchten einen Modellstudiengang und den Neuaufbau, so Kandmon und das Wissen „wir sind die Ersten und das kann uns niemand mehr nehmen.“ Zwei Forschungsschwerpunkte werden in Augsburg im Mittelpunkt stehen. Zum einen „Umwelt und Gesundheit“ mit Fragen, welchen Einfluss Umweltfaktoren auf Erkrankungen haben und wie eine Therapie anschlägt. Zweiter Schwerpunkt sind „Medical Information Sciences“: Im Kern werde es dabei darum gehen, aus großen Datensätzen neue Erkenntnisse zu gewinnen. Die Zukunft sehe laut Kadmon so aus, dass letztlich rund 1500 Studenten an der Uniklinik in Augsburg studieren werden. Weitere Forschungsschwerpunkte seien durchaus denkbar, diese sei eine Strategie der Uni und des Klinikums. 

Verwaltungschef Michael Bungarten erklärte, dass es an der Uniklinik Augsburg praktisch keine „Altlasten“ mehr gebe. Ja, es gebe noch den Anbau West, der in kommunaler Trägerschaft begonnen worden war, den zahlen die Stadt und der Landkreis Augsburg noch. Stadt und Landkreis sollten in zwei Jahren „aus dem Schneider sein“ – außer gewissen Pensionsverpflichtungen. 500 Millionen jährliches Gesamtvolumen ohne Investitionen – auf diesen Umfang bezifferte Bungarten den finanziellen Rahmen der Uniklinik. Zwar steige der Zuschuss des Freistaates in den nächsten Jahren an, über 90 Prozent müssten aber derzeit noch aus den Krankenversorgungsleistungen kommen. „Jährlich müssen wir bestimmt über 400 Millionen verdienen“, so Bungarten, um den Personalkostenblock von rund 65 Prozent, also 330 Millionen, sowie die patientenunabhängigen Sachkosten wie Heizung, Küche, Reinigung… zu bestreiten. Auch Bungarten betonte den Faktor Drittmittel: Neben dem staatlichen Zuschuss werben Forscher der Klinik aktiv Drittmittel an. In Würzburg, Bungartens voriger Wirkungsstätte, seien die Drittmittel bei 30 bis 35 Millionen Euro im Jahr gelegen. 

„Hier in der Region wird den Menschen Spitzenmedizin angeboten werden können, ebenso wie in München oder Hamburg.“ Derzeit größtes Problem für den Verwaltungschef: die hochgerüstete Infrastruktur in der Intensivmedizin, die wegen regulatorischer Vorgaben aus Berlin nicht gefüllt werden könne. Es blieben Intensivbetten leer, weil entsprechendes Pflegepersonal fehle. Bungartens Meinung: Es sei ganz zentral ein ethisches Problem, wenn Eltern ein intensivpflichtiges Kind haben, Betten um die Ecke da sind, aber nicht betrieben werden könnten wegen des 

Personalschlüssels und die Eltern müssen täglich 80, 100 Kilometer fahren.?Ärztlicher Direktor Prof. Dr. Michael Beyer erklärte auf die entsprechende Frage, dass sich die Situation in der Notaufnahme des Klinikums nicht verbessert habe. Die Zahl der Patienten steige von Jahr zu Jahr, dem müsse man begegnen. Es gelte Ärzte finden, die gerne dort arbeiteten, damit die medizinische Versorgung der Patienten verbessert werde. Beyer erklärte auch, dass Studierende an der Uniklinik nicht eingesetzt werden könnten wie Auszubildende in einem dualen System. Er beschrieb einen Trend in der Medizin, dass Spezialisierung und Diversifizierung fortschritten. Aber: „Wir bekommen neben hoch spezialisierten Medizinern auch hoch spezialisierte Forscher, wir können die Ergebnisse relativ rasch dem Patienten zukommen lassen.“ Je besser es beispielsweise gelinge, die Spezifitäten eines Tumors aufzuknacken, desto gezielter werde er zu behandeln sein. Digitale Medizin und Künstliche Intelligenz bezeichnete Beyer als Hilfsinstrumente für den behandelnden Arzt. Die Technik werde gerade den operativen Bereich vereinfachen und sicherer machen können. Pflegedirektorin Susanne Arnold bekundete, dass man in Augsburg wie vielerorts das Problem des Fachkräftemangels habe. Es sei sehr aufwendig, Personal zu gewinnen und zu behalten, bei über 2000 Mitarbeitern und einer natürlichen Fluktuation um die neun Prozent. Aber: „Wir haben im vergangenen Jahr 120 Vollkräfte zusätzlich einstellen können. Die Uniklinik tut uns gut, sie macht den Standort Augsburg für die Mitarbeiter attraktiver.“ Die Bürokratie wachse, aber man versuche, sie zu vereinfachen und zu reduzieren, um die Zeit für die Arbeit am Patienten zu haben. Das Bestreben sei, bessere Rahmenbedingungen für die Pflege zu schaffen. Die Uniklinik werbe für sich, „wir sind ein High-Tech- Unternehmen.“ Die Zahl der Ausbildungsplätze müsse erhöht werden und der Beruf müsse attraktiver werden. „Pflegekräfte wollen Zeit, sich besser um die Patienten kümmern zu können.“ Man müsse Pflegenden andere Perspektiven bieten Richtung Akademisierung, Fortbildung, Studiengang, für Personal, das zwar am Menschen tätig ist, aber zudem Forschung betreibt, so ein Ausblick Arnolds in die Zukunft. 

Michael Siegel


Bild: Michael Siegel