Verknotet


Presseclub besucht vorab Ausstellung von Bildern Gudrun Brünes und Bernhard Heisigs in der Galerie Noah

Sozialistischer Realismus, Leipziger Schule – kurz vor Weihnachten machten sich die Mitglieder des Augsburger Presseclubs auf in Sachen Kunst. Ziel war die Galerie Noah im Augsburger Glaspalast und dort einen Tag vor der Vernissage die Ausstellung von Bildern des Künstler(ehe)paares Bernhard Heisig (2011 verstorben) und Gudrun Brühe. „Verknotet“ lautet der Titel, übrigens genau so wie der Titel eines Bildes von Gudrun Brüne (Jahrgang 1941). Nicht nur rund 30 Gemälde der Künstler erwarteten die Besucher, sondern auch Malerin Brüne persönlich. Sie war bereits einen Tag vor der Vernissage ihrer Bilderschau aus dem ostdeutschen Havelland nach Augsburg gereist, um im Presseclub Rede und Antwort zu stehen. Noah-Galeristin Wilma Sedelmeier und Thomas Elsen, stellvertretender Direktor der Augsburger Kunstsammlungen gaben zudem Orientierung zu den Werken. Vor allem Werke der beiden Künstler aus den vergangenen 20 Jahren zeige die Ausstellung, so Elsen, darunter auch allerneueste Bilder von Gudrun Brüne. Eine besondere Spannung erfahre die Ausstellung durch die Verschiedenartigkeit der Werke beider Künstler. Als ein zentrales Motiv in den jetzt in Augsburg zu sehenden Bildern benannte Elsen das der Maske. Beispielsweise als Filter zwischen der Welt und dem zu Zeigenden. Exemplarisch dafür stehe das Brüne-Bild „Die Herren vom Vorstand“, das fünf Männer hinter Masken zeigt. Und dann Gudrun Brünes Bild(zyklus) „Zum letzten Abendmahl.“ Sie hat es in Anlehnung an Leonardo da Vincis Original für die Stiftung Prüsse in Braunschweig gemalt. Vier Vorwerke dieses Abendmahls sind jetzt in Augsburg zu sehen, Bildern von den Jüngern mit Masken. Und Jesus selbst hat kein Gesicht – Brüne bezieht sich damit auf das zweite Gebot aus der Bibel. Die Masken erklärte Brüne mit dem Verrat Jesus durch Judas. „Einer von ihnen wird mich verraten“. Aber wer? Das Bild sagt es nicht. Diese Auftragsarbeit sei nicht ihr erster Kontakt mit christlich-biblischen Themen gewesen, so Brüne, auch vorher habe sie schon eine Verkündigung etwa oder ein Bild vom goldenen Kalb gemalt. „Das Christentum und die Religion sind wichtige Faktoren für unser Zusammenleben“, bekräftigt Brüne. Sie sei nicht für Anarchie, auch wenn sie nicht an den lieben Gott im Himmel mit dem langen Bart glaube.


Eine sehr moderne Thematik nimmt Brüne mit ihrem „Rückenakt“ auf, wo sie den Rücken einer jungen Frau malt, der fast völlig überzogen ist von einer Tätowierung. Gar nicht ihr Ding sagt die Malerin zu dieser Zeiterscheinung, dann auch „scheußlich“, aber es sei ihr wichtig gewesen, sich mit dieser Thematik künstlerisch auseinanderzusetzen.


In einem weiteren Bild mischt Gudrun Brüne eines ihrer wichtigsten Motive mit einem von Pablo Picasso. „Ich habe geträumt, dass ich meine Puppen in Picassos Bild Guernica gemalt habe.“ Sie setzte diesen Traum in die Tat um – freilich können es nur Torsos von Puppen sein, die zu dem weltbekannten Bild des Spaniers von der kriegsverwüsteten spanischen Stadt passen. Puppen tauchen so wie Masken immer wieder im Werk der Malerin auf, analysierte Thomas Elsen. Sie stünden oft für die manipulierte Frau in der Gesellschaft. Brüne bestätigte dies und erklärte, dass sie nach der Wende zunächst keine Puppenbilder mehr gemalt habe, weil es dieses Thema in einer freien Gesellschaft ja wohl nicht mehr gebe. Sie sei dann aber wieder dazu zurückgekehrt, weil es auch jetzt Manipulationen an Frauen und Unterdrückung gebe – etwa durch die Mode.


Zum Thema Leipziger Schule, der Gudrun Brüne und Bernhard Heisig zugerechnet werden, meine Brüne, dass deren Bilder weit vielfältiger gewesen seinen als nur sozialistischer Realismus. Ab den 1980er Jahren habe man in der DDR malen können, was man wollte. In den Bildern verborgene subtile Kritik an der Obrigkeit sei vom Publikum erkannt worden, vor den Kunstausstellungen wie in Dresden habe es immer lange Menschenschlangen gegeben. Da in der DDR kein Kunstmarkt existierte, hätten die Künstler stets das malen können, was ihnen wichtig war. Anders als im Westen habe man keine Moden bedienen brauchen.


Die Bilder Bernhard Heisigs, die die Ausstellung in der Galerie Noah zeigt, zeugen vom expressionistischen Stil, der Heisig zeitlebens begleitete, den er fortentwickelte. Auch wenn Heisig der gegenständlich-realistischen Malerei zugerechnet werde, habe er Kategorien wie die „Leipziger Schule“ oder den „sozialistischen Realismus“ für sich immer abgelehnt. Mit Werken wie „Neues vom Turmbau zu Babel“, „Der Maler Max Liebermann“ oder „Der Maler. Portrait Willi Sitte“ zeigt die aktuelle Ausstellung Werke aus dem Todesjahr Bernhard Heisigs 2011. Zu sehen sind auch Bilder wie „Espenhain“ (1968/2006) die ein wichtiges Thema von Heisigs Malerei zeigen: Er galt als der große Übermaler. Immer wieder, so berichtete seine Ehefrau, habe er seine Bilder auch nach Jahren noch geändert oder sogar zwei, drei Mal übermalt.


In anschließenden Gesprächen in kleinerer Runde in der Galerie gab es von Gudrun Brüne so manches Detail zu erfahren vom Einfluss des Lehrers (Heisig) auf seine Schülerin und spätere Ehefrau (Brüne), aber auch davon, wie sie ihm (und er ihr) als fürsorglicher Ratgeber und Ansprechpartner in der Malerei beistand. Gudrun Brüne malt bis heute – gerne in Mischtechnik auf Hartfaserplatten aus dem Baumarkt, die sie sich dort zuschneiden lässt, bevor sie sie selbst grundiert. Etwas ist anders als in den zurückliegenden 50 Jahren Schaffens. „Er fehlt mir.“


Michael Siegel


Fotos: Klaus F. Linscheid