Angstgefühle kontra Aufklärungsquote


Der Presseclub zu Besuch im Polizeipräsidium Schwaben-Nord und beim Podiumsgespräch mit Polizeidirektor Michael Schwald

Das subjektive Bedrohungsgefühl nimmt bei vielen Bürgern zu. Dieses Empfinden steht teilweise im Widerspruch zu den Zahlen der offiziellen Verbrechensstatistik. Wie ist die Sicherheitslage wirklich in Augsburg und der Region? Antworten bekam der Presseclub Augsburg jetzt von einem, der es wissen muss: Polizeipräsident Michael Schwald empfing die medienschaffenden Gäste im Polizeipräsidium Schwaben Nord in der Gögginger Straße. Schwald, 50 Jahre alt, gebürtiger Augsburger übernahm das Präsidium nach dem Jurastudium und verschiedenen Stationen in der bayerischen Staatskanzlei im Oktober 2013. Das Podiumsgespräch führte Presseclub-Vize Alfred Schmidt, ehemaliger Leiter der Lokalredaktion der Augsburger Allgemeinen Zeitung.


Sie habe ihr Konto bei einer Bank am Augsburger Königsplatz gekündigt und sei wo anders hingegangen, weil sie sich am Kö nicht mehr sicher fühle, habe ihm eine ältere Dame unlängst erzählt. Damit konfrontierte Moderator Alfred Schmidt Schwald verbunden mit der Frage nach seiner Einschätzung zum Verhältnis zwischen der öffentlich gefühlten und der tatsächlichen Sicherheit. Unabhängig von seinem „Werbeblock“ (Zitat Schwald), dass Augsburg laut Kriminalstatistik von allen deutschen Großstädten mit die höchste Aufklärungsquote bei Straftaten habe und dass die Zahl der Straftaten hier verhältnismäßig niedrig sei, erklärte der Polizeichef, dass die Polizei durchaus eine sich ändernde „gefühlte Sicherheit“ beobachte und dass man versuche, auf die betroffen Personengruppen zuzugehen. Immerhin, so Schwald, zeigten sich Frauen in einer anderen Weise öffentlich verunsichert als Männer, ältere Menschen anders als jüngere, Ostdeutsche anders als Westdeutsche. Gemeinsam mit der städtischen Ordnungsbehörde habe die Polizei dabei in Augsburg vor allem die Bereiche am Königsplatz, Rathausplatz, Elias-Holl-Platz, am Hauptbahnhof und am Oberhauser Bahnhof (Helmut-Haller-Platz) besonders im Auge, wo sich bestimmte Szenen träfen. Auch wenn es aus verschiedenen Gründen schwer falle, Vergleiche anzustellen, beobachte die Polizei doch beispielsweise am Königsplatz einen erheblichen Anstieg an Straftaten. Ob eine immer wieder geforderte Videoüberwachung dieses und anderer Plätze eine Lösung sei, das werde demnächst besprochen.


Ein Teilaspekt dieser Problematik seien Straftaten von Flüchtlingen. Dass diese statistisch gesehen im Jahr 2016 deutlich angestiegen seien, sei zuvorderst dem Umstand geschuldet, dass auch die Zahl der Personen seit Herbst 2015 erheblich zugenommen habe. Ungünstig auf die Statistik wirke sich auch aus, dass viele Flüchtlinge der Personengruppe „männlich zwischen 18 und 35 Jahren“ angehören, jener Gruppe, in der auch bei Inländern die Deliktquote am höchsten liege. Auch 2017 sei bei Gewalt- und Betäubungsmitteldelikten eine deutlich zunehmende Tendenz zu verzeichnen. Ein großes Anliegen der Polizei sei es, mit diesen Tatsachen verantwortungsvoll umzugehen und keine Hetze zu betreiben.


Nächstes Thema: Wie schätzt der nordschwäbische Polizeipräsident die Gefahren für die Heimat durch den Extremismus ein, kann man beispielsweise sorgenfrei den Christkindlesmarkt besuchen? Die Behörden hätten ein Sicherheitskonzept, täten das Möglichste, um die Sicherheit zu gewährleisten, aber, so Schwald: „Ausschließen kann man nichts“. Das eigene Fachkommissariat des Präsidiums wisse seit Jahren von Salafisten, Islamisten in der Region, man schätze die von diesen Personen ausgehende Gefahr aber nicht so groß ein wie in anderen Landesteilen. Rechte Gewalt? Man wisse vor allem um eine „alte“, inzwischen etwas ausgedünnte Szene, so der Polizeichef und schiebt, ebenso bezogen auf Linksextremisten, nach: „Wir wollen rechte Straftäter hier genauso wenig haben wie linke“.


Erst in neuerer Zeit augenfällig geworden sei die Gruppe von sogenannten Reichsbürgern oder Germaniten. Diese sei in der Region seit 2016 deutlich auffällig geworden, man spreche heute von rund 170 Personen. Michael Schwald bestritt, dass die Ideen dieser Gruppe eine besondere Faszination auf Polizisten hätten. Bekannt sei der Fall eines Polizeibeamten aus dem Augsburger Landkreis, der aber suspendiert worden sei. „Diese Leute gehören nicht zur Polizei, sie gehören nicht in den Staatsdienst“, so der Polizeichef.


Letzter Themenschwerpunkt des Abends war jener der zunehmenden Gewalt gegen Polizisten. Auch hier verzeichne man in der Region eine Steigerung auf aktuell rund 750 Delikte, Körperverletzung ebenso wie Widerstand oder Beleidigung. Betroffen seien neben Polizisten auch Feuerwehrleute, Rettungssanitäter und andere Helfer. Erforderlich sei hier eine öffentliche Diskussion, schließlich würden drei Viertel derartiger Delikte von mehr oder weniger stark alkoholisierten Tätern begangen. Schwald regte an, über eine Sperrstunde für Lokale ab 2 Uhr nachts auszudehnen – allerdings bräuchte es dazu eine überregionale Initiative. Derzeit reagiere die Polizei auf derartige Vorkommnisse mit Bodycams, also Video-Kameras, die die Polizisten im Einsatz am Körper tragen. Zusätzlich würden Beamte besser darin ausgebildet, mit Eskalationen umzugehen. Kritik an einer möglicherweise mit den Tätern zu nachsichtigen Justiz wollte sich Schwald nicht erlauben.


Vor dem Podiumsgespräch besuchten die Gäste vom Presseclub die Einsatzzentrale und das Lagezentrum im Polizeipräsidium in der Gögginger Straße. Dabei gab es quasi „live“ Einblicke in die laufende Polizeiarbeit, als die Medienschaffenden miterleben konnten, wie im Notrufbereich der Einsatzzentrale und in der benachbarten Funkzentrale gearbeitet wird.
Michael Siegel


Fotos: Robert Linsenmeyer