„Schandfleck“ oder notwendige Form des Protests


Das Klimacamp in der Augsburger City polarisiert seit nunmehr zwei Jahren die Gemüter

„Klimacamp“: Man braucht in diesen Tagen in Augsburg wohl keinen anderen Begriff aussprechen, um deutlicher eine Polarisation zu erleben. Da gibt es jene, die die seit bald zwei Jahren andauernde Aktion zahlreicher zumeist junger Leute als eine Form des aktuellen Protests akzeptieren, gut finden, unterstützen. Und dann gibt es jene, die den „hässlichen“, „mülligen“ „Verschlag“, anfangs direkt neben Augsburgs guter Stube, dem Rathaus von Elias Holl, jetzt unweit davon auf dem zentralen Moritzplatz, rundweg ablehnen. Jetzt befasste sich eine Podiumsveranstaltung des Augsburger Presseclubs mit der Sache – wo es ebenfalls kontrovers zuging.
Auf dem Podium im S-Forum der neuen Augsburger Stadtbücherei diskutierten der Student Alexander Mai, Mann der ersten Stunde des Camps, die Stadträtin und pensionierte Verwaltungsrichterin Beate Schabert-Zeidler (Fraktion Bürgerliche Mitte), Peter Rauscher, Fraktionschef der Augsburger Rathaus-Grünen und der CSU-Bezirkschef und Bundestagsabgeordnete Volker Ullrich.
Allen voran war es Ullrich, der eine neue Problematik um die Klimaschützer kritisierte. Nicht jene, dass das Camp mehr oder weniger „schön“ oder dekorativ sei, sondern vielmehr jene, dass die Macher des Camps den Boden des Rechtsstaates verließen, indem sie zunehmend linksextremem Gedankengut nachhingen und gar zu Straftaten aufriefen. Augenfälliges Beispiel gerade am Tag der Podiumsveranstaltung: Das Klimacamp hatte öffentlich angekündigt, zu „containern“. Dabei sollten aus dem Abfall von örtlichen Supermärkten des Nachts einsammelte Lebensmittel am Folgetag an Bedürftige verschenkt werden. Dies sei nun mal in Deutschland eine Straftat, die für einen Demokraten nicht hinzunehmen sei (die Container-Aktion vor dem Klimacamp wurde von der Polizei beendet).
Anders sah dies Klimacamper Alexander Mai, der beim Containern von einer Form des „zivilen Ungehorsams“ sprach, einer Form des Protests, die gestattet sein müsse, um auf den Missstand der täglichen tonnenweisen Lebensmittelverschwendung in Deutschland aufmerksam zu machen. Mai berichtete eingangs der Veranstaltung auf Frage von Gesprächsleiter Alfred Schmidt, stellvertretender Presseclub-Vorsitzender und vormaliger Redaktionsleiter der Augsburger Allgemeinen Zeitung, über seien Weg zum Klimacamp und dieses an sich. Hervorgegangen sei das Camp ursprünglich aus der Schüler-Protestbewegung „Fridays for future“. Im Sommer 2020 wurde das erste Camp direkt neben dem Augsburger Rathaus errichtet. Inzwischen sei es entgegen der Ansicht der Augsburger Stadtverwaltung höchstrichterlich in seinem Bestand bestätigt worden. Vor einigen Monaten hätten sich die Aktivisten unkompliziert bereit erklärt, den angestammten Standort zu tauschen, nachdem bekannt wurde, dass vom direkt angrenzenden Perlachturm Mauer- und Putzteile herabzufallen drohten. Jetzt, wo die baufällige Turmspitze eingehaust worden sei, beabsichtigten die Klimacamper, wieder auf ihren ursprünglichen Platz zurückkehren zu wollen. Weil das Camp weder ein Verein sei noch eine feste Struktur kenne, könne man den (häufig wechselnden) Umfang an Unterstützerinnen und Unterstützern nur schätzen, er dürfte aber bei etwa 150 Personen liegen. Mindestens zwei von ihnen müssten laut Versammlungsrecht ständig auf dem Camp anwesend sein, darunter mindestens ein Versammlungsleiter, Tag und Nacht. Dass der Eindruck entstünde, dass hauptsächlich junge Leute das Camp mit Leben erfüllten, sei ein Trugschluss so Mai. Es liege wohl daran, dass es gerade bei schlechtem Wetter vor allem junge Leute seien, die unkompliziert in den aus Brettern und Folien zusammengebauten provisorischen Unterkünften einen Schlafplatz auf den Matratzen bezögen. Darüber hinaus gebe es aber Unterstützer praktisch jeden Alters. Schließlich bekräftigte Mai die Grundfeste der Klima-Camper: Sie wollen das Camp aufrecht erhalten, bis man bei den Verantwortlichen der Stadt einen spürbaren Wandel hin zu wichtigen Klimazielen feststelle.
Stadträtin Beate Schabert-Zeidler wunderte sich etwas darüber, dass sie quasi als „Gegnerin“ des Klimacamps auf das Podium geladen worden sei. Das, wo sie im Laufe ihres Lebens bei „Jute statt Plastik“ mitgemacht habe, beim Boykott südafrikanischer Produkte oder beim Energiesparen mit der ganzen Familie. Ihre Kritik am Klimacamp: Es reiße Gräben auf, wo sie eigentlich gar keinen inhaltlichen Dissens sehe. Eigentlich, so die frühere Richterin, seien doch alle im Raum der gleichen Meinung, dass etwas gegen den Klimawandel getan werden müsse. Allein in durch die Form des Klimacamps und das Auftreten seiner Unterstützer sehe sie, dass Menschen sich vor den Kopf gestoßen fühlten. Bezüglich des verbotswidrigen Containerns machte die Richterin den nahe liegenden Vorschlag: warum nicht einfach bei den Ladenbesitzern nach den abgelaufenen Lebensmitteln fragen, bevor diese in der Mülltonne landeten? Die Stadträtin merkte an, dass es in diesem Jahr wegen des Klimacamps in der Pfarrei St. Moritz kein Osterfeuer habe geben können. Und das, wo doch öffentliche Plätze für alle Menschen da seien.
Durchaus spannend die Position des Augsburger Grünen-Fraktionsvorsitzenden Peter Rauscher. Würde man die Grünen doch gemeinhin als unzweideutige Unterstützer der Klima-Camper vermuten. In Augsburger Rathaus aber befinden sich die Grünen aktuell zusammen mit der CSU in einer Regierungskoalition – und die Christsozialen gelten überwiegend nicht als Freunde des Camps. Entsprechend bekannte Rauscher, dass seine Partei sich in „demokratischen Zwängen“ befände, was diese Angelegenheit betreffe. „Das tut weh“. Rauscher sehe es aber als eine Aufgabe seiner Partei, einen demokratischen Weg zu beschreiten. Dass es Ansätze zu mehr Klimaschutz vonseiten des Stadtrates gebe, zeige die kürzlich beschlossene Solarpflicht für Dächer in Neubaugebieten. Fraglos gehe das noch nicht weit genug, es handle sich aber um einen ersten Baustein. Und überhaupt, so Rauscher, sei das Klimacamp ein urbanes Element, das bei Großstadt wie Augsburg zum Stadtbild gehören dürfe. Eine Diskussion mit den Besuchern des Podiumsgesprächs schloss sich an und auch lange danach wurden noch eifrig Meinungen und Argumente ausgetauscht.
Michael Siegel


Fotos: Michael Siegel