Zwischen Einbaum und Königsschloss


Der Presseclub Augsburg besucht die Landesausstellung „Wald, Gebirg und Königstraum – Mythos Bayern“ im Kloster Ettal

Zum Oktoberfest kommen alljährlich hunderttausende von Touristen nach München, auch um in Tracht und mit Masskrug (vermeintliche) bayerische Lebensart zu feiern. Und in Kanada, Brasilien, auf Mallorca, in aller Welt wird dieser Lebensart mit Festen gehuldigt. Aber was ist das, was ist der Mythos von Bayern?

„Wald, Gebirg und Königstraum – Mythos Bayern“ heißt die Landesausstellung 2018 des Hauses der Bayerischen Geschichte, die dieser Frage nachspürt. Noch bis 4. November ist sie im Kloster Ettal unweit der Zugspitze (Deutschlands höchstem Berg) und Ludwigs Königsschlössern zu sehen. Nachdem die Schau bereits im September die 100.000-Besucher-Marke genommen hatte, begaben sich jetzt auch Mitglieder des Augsburger Presseclubs auf die Spuren des Mythos Bayern. Organisiert von Pressechefin Natascha Zödi war Julia Lichtl vom Projektteam der Ausstellung kundige Begleiterin der Augsburger Gruppe durch die Schau.

Als die vier Säulen des Mythos Bayern bezeichnete Lichtl die bayerische Landschaft, die Menschen, die dort Leben, das Königshaus der Wittelsbacher und den Freistaat Bayern. Passend zum Veranstaltungsort ist ein erster Ausstellungsschwerpunkt auf dem Rundgang durch die Ausstellung der Wald. Die Zugspitzregion und der Landkreis Garmisch- Partenkirchen sind stark durch den Wald geprägt. Hier finden sich 16 Naturschutzgebiete und acht Landschaftsschutzgebiete. Knapp 50 Prozent der Fläche des Landkreises sind Wald. In der Ausstellung wird Wald unter anderem thematisiert durch ein Gemälde Albrecht Altdorfers vom Heiligen Georg im Wald – einem noch als dunkel und bedrohlich empfundenen Wald. Dann tauchen erste Schneisen und Wege im Wald auf, zum Beispiel für die Jagd. Auch diese thematisiert die Ausstellung anhand von Gemälden, Waffen, Präparaten oder dargestellt in Medienstationen. Der Jagd folgen Holz- und Forstarbeiten, von der historischen Votivtafel reichend bis zum Video vom modernen Holz-Harvester. Und dann ist auch schon einer der Höhepunkte der Ausstellung erreicht. Das größte und älteste Schaustück ist ein über 13 Meter langer, über 3000 Jahre alter Einbaum, der einstmals als Boot auf dem Starnberger See Dienst getan hatte. Weitere Gegenstände aus Holz folgen, so Musikinstrumente oder Schnitzfiguren. Und dann taucht zur Freude der Augsburger ein Portrait

von Jakob Fugger auf, „unserem“ Fugger. Deswegen, so erklärt Julia Lichtl, weil die Fugger seit jeher große Waldbesitzer waren und die Augsburger Fuggerei, die bekannte, älteste Sozialsiedlung der Welt, bis heute aus dem Erlös aus den Fuggerschen Wäldern finanziert werde.?Die bekannte Kesselbergstraße zwischen dem Kochel- und dem Walchensee markiert den Übergang vom Thema Wald ins Gebirge. Die Berge der Ammergauer Alpen und der Zugspitzregion bilden den Rahmen für diese Landesausstellung. Sie gehören auf das klassische Postkartenmotiv und das Bild der Deutschen und Bayern. Waren die Berggipfel für Menschen früherer Jahrhunderte Schreckensorte, so gehörten Wissenschaftler zu den Ersten, die dieses Bild veränderten. Die Landesausstellung zeigt beispielhaft in Gemälden und Dokumenten den Vermesser Joseph Naus (1793–1871), den Botaniker Franz von Paula Schrank (1747-1835) und den Kartografen Mathias von Flurl (1756-1823). Landschaftsmaler folgten den Wissenschaftlern und sorgten noch mehr als diese für ein typisches Bild von Bayern. Die Ausstellung zeigt beispielsweise Georg von Dillis (1759-1841) Gemälde „Chiemsee“ und „Tegernsee“ oder Simon Warnbergers (1769-1847) „Isartal“.

Und dann die Wittelsbacher, freilich selbst immer wieder Motiv auf Gemälden: König Ludwig II. wählte das Graswangtal, um sich nur 12 Kilometer von Kloster Ettal entfernt zwischen Wäldern und Bergen sein Wohnschloss zu bauen: Schloss Linderhof. Auch seine anderen Schlösser oder das Königshaus am Schachen hat er in der Landschaft des Gebirges inszeniert.

Erster Regent, dem der Besucher auf dem Rundgang begegnet, ist König Max II (1811-1864). Er gilt als volksnaher König in der Tracht, der diese Kleidung förderte, um ein bayerisches Nationalgefühl zu schaffen. Bis heute lässt sich auf seinen Spuren wandeln, wenn man den Maximiliansweg zwischen Lindau und Berchtesgaden entlang der Alpen nachwandert. Ein Freund der Musik war Herzog Max in Bayern (1808- 1888), der Vater von Kaiserin Sisi. Bereits in dieser Zeit gewann die Lederhose nicht nur wegen ihrer Funktionalität an Bedeutung, sondern auch als regionale Besonderheit. In diesem Zusammenhang steht die Huldigung des Schuhplattelns, zu sehen auf dem gleichnamigen Bild von Hubert von Herkomer von 1875. Die Bayern spielten sich bereits zu jener Zeit selbst, was bereits erste Gäste anlockte, auch zu sehen auf eben jenem Bild. Allerorten waren Bauerntheater beliebt, gespielt wurde beispielsweise Ludwig Ganghofer („Jäger von Fall“). Wer etwas Zeit mitbringt, kann sich einen besonderen Schwarz-Weiß-Film des Besuchs

des Ruhpoldinger Bauerntheaters 1953 in Südafrika anschauen. Bereits im Jahr 1880 bot der britische Reiseunternehmer Thomas Cook Pauschalreisen zu den Passionsspielen nach Oberammergau an. „Verschönerungsvereine“ gründeten sich, legten Wanderwege an, beschilderten diese, stellen Sitzbänke auf. Nicht fehlen dürfen Hinweise auf Maximilian Schmidt, der 1895 in München (erfolgreich) einen großen Trachtenumzug auf die Beine zu stellen versuchte. Damit gehörte er zu jenen, die den Ursprung des Münchner Oktoberfestes auf der Theresienwiese begründete.

Dann verlässt die Ausstellung die Mehrzweckhalle der Ettaler Klosterschule und begibt sich vorbei am Bauerngartens in den Park, wo ein hölzerner Rundpavillon steht. Hier erwartet den Besucher eine 360- Grad-Multivisionsschau zur Schlösserwelt König Ludwigs II. Herrenchiemsee, Linderhof, Neuschwanstein, aber auch unvollendete Projekte wie Schloss Falkenstein scheinen auf.?Wieder zurück nach drinnen gilt der letzte thematische Aspekt dem Freistaat Bayern. Symbolisiert wird der Übergang vom Königreich zur Republik mit Briefmarken von König Ludwig III., die nach der Revolution mit „Freistaat Bayern“ überstempelt wurden. In einem eigenen Saal können die Gäste ihre Meinungen zur Ausstellung und zu Bayern hinterlassen. Und gleich nebenan kann sich abschließend jeder per „Selfie“ zum Teil einer riesigen bayerischen Bilderwelt machen.

Michael Siegel


Unsere Bildergalerie zeigt Impressionen vom Besuch der Ausstellung.
Fotos: Klaus F. Linscheid und Klaus Krieger