Öfter mal Lösungswege aufzeigen


Der Augsburger Presseclub und der BJV führen ein journalistisches Praxisgespräch mit Prof. Dr. Klaus Meier über konstruktiven Journalismus

Terroranschläge, Klimakatastrophen, Morde und Vergewaltigungen – manch einer hat genug der Schreckensmeldungen aus den Medien, wendet sich frustriert ab. Nachrichtensendungen werden nicht mehr angeschaut, Zeitungsabonnements gekündigt. Medienschaffende stehen zunehmend unter öffentlicher Beobachtung – nicht immer wohlwollend. Dem Kritikpunkt, dass die Berichterstattung häufig zu negativ sei, versucht das Berichterstattungsmuster des „konstruktiven Journalismus“ gegenzusteuern.

Was es damit auf sich hat, besprachen jetzt die Gäste des Augsburger Presseclubs im Veranstaltungsraum in der Georgenstraße mit Prof. Dr. Klaus Meier von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt. Was bedeutet konstruktiver Journalismus für die tägliche Arbeit der Journalisten? Wie können solche „konstruktiven“ Geschichten konkret aussehen? Und wie werden sie angenommen? Lässt sich dieser Ansatz auch praktisch in den Redaktionen und deren Geschichten umsetzen? Solche und ähnliche Fragen bildeten den Ausgangspunkt.

Prof. Meier ist seit Jahren im Bereich der Journalismus-Forschung aktiv. Als Vize-Vorsitzender der Deutschen Gesellschaft für Publizistik und Kommunikationswissenschaft (DGPuK) beschäftigt er sich viel mit alternativen Berichterstattungsmustern und neuen Ansätzen im Journalismus. Das Gespräch mit ihm moderierten Presseclub-Vorsitzender Wolfgang Bublies und die Vorsitzende des mitveranstaltenden Bayerischen Journalistenverbandes, Miriam Leunissen.

In seinem Eingangsreferat umriss Prof. Meier das Thema „konstruktiver Journalismus“. Es werde von verschiedener Seite als eine Lösung gesehen, um die Arbeit von Journalisten bei den Nutzern angesehener und erträglicher zu machen. Der konstruktive Journalismus wolle laut Meier Missstände und Probleme nicht nur aufzeigen, sondern er leiste auch einen Blick in die Zukunft: Was jetzt, wie geht es mit dem beschriebenen Problem weiter? Wie beispielsweise ist das beschriebene Problem anderswo gelöst worden?

Meier stellte klar, dass man den zunehmenden ökonomischen und politischen Druck auf den Journalismus nicht außer acht lassen dürfe. „Wir brauchen auch weiter den investigativen Blick auf Probleme in der Gesellschaft.“ Umzingelt von PR und Werbung habe kritische Berichterstattung ihren Platz. Die Mechanismen des konstruktiven Journalismus könnten nicht überall greifen, aber doch mehr als bisher.

Meier präsentierte die Lebensgeschichten des Dänen Ulrik Haagerup, der als einer der internationalen Vordenker des konstruktiven Journalismus gilt. Früher selbst Journalist arbeitet Haagerup inzwischen an der Hochschule.

Meier wies auf Kritikpunkte an diesem Thema hin, als da sei der Vorwurf der versteckten Werbung, etwa von Unternehmen, Nichtregierungsorganisationen, Lobbyisten oder Aktivisten für ihre Sache. In der Diskussion sei, ob es für konstruktiven Journalismus in den Medien eine Etikettierung brauche. Oder ob Qualitätsjournalismus diesen nicht von vorne hinein beinhalte. Konstruktiver Journalismus könne, müsse aber nicht automatisch positiver Journalismus bedeuten.

An seinem Lehrstuhl an der Universität Eichstätt habe man versucht, in Studien die Akzeptanz bei den Nutzern/Lesern zu überprüfen. Dazu habe man in Verbindung mit Medienhäusern entsprechende Geschichten platziert und deren Wirkung abgefragt. So einen Bericht über die hoffnungsvolle Wendung einer Helferin in Russland. Andere Themen seien Berichte gewesen über Plastikmüll oder den Landarztmangel.

Dabei habe man eine generell positive Tendenz der Nutzer auf derartige Berichterstattung herausgefunden. Es habe sich gezeigt, dass Menschen Lösungsansätze mögen, sich besser fühlen. Geschichten mit einem konstruktiven Lösungsansatz würden in sozialen Medien eher geteilt werden. Verallgemeinerbar seien diese Erkenntnisse aber nicht. Gegenüber dem Vorwurf, es würde versteckte Werbung platziert, gab Meier Entwarnung. Man habe wenig Misstrauen vorgefunden. Besser als die EINE Lösung sei die journalistische Abwägung verschiedener Lösungsansätze. Meiers Fazit: Konstruktiver Journalismus sollte zur Strategie von Medien gehören. Er müsse nicht um jeden Preis gemacht werden, entsprechende Geschichten bräuchten mehr Zeit und Platz.

In der anschließenden Diskussions- und Gesprächsrunde war die Frage an den Wissenschaftler, welche Zielgruppen denn besonders stark oder schwach auf konstruktiven Journalismus reagierten. Dabei, so Meier, habe sich ein (wissenschaftlich nicht fundiertes) Feld zwischen jungen Frauen und älteren Männern gezeigt. Während jüngere Frauen positive Berichterstattung deutlich befürworteten, werde sie nirgends so abgelehnt wie von älteren Männern.

Schnell durfte sich Meier in der Rolle des Anwalts von konstruktivem Journalismus fühlen. Der alten Journalistenweisheit „Good news are no news“ hielt er entgegen, konstruktiver Journalismus solle eine Ergänzung sein. Vielleicht könne man ja öfter mal eine Geschichte machen, in der auch Lösungen angeboten werden.

Eine anschließende Debatte über den Werdegang des Wirtschaftsmagazins „Brand eins“ mit Insidern zeigte die Schwierigkeiten auf, sich stark „positiv-konstruktiven“ Berichten zu verschreiben. So weit könne dies gehen, dass ein Autor ein Ausfallhonorar für eine Geschichte bekommt, die nicht gedruckt wird, weil (noch) nicht abzusehen ist, wie das beschriebene Problemfeld aufzulösen sein wird.

Eine mehrfach vertretene Meinung in der Aussprache lautete: „Vieles, was konstruktiver Journalismus fordert, habe man indirekt immer schon gemacht“, „ist nicht neu“. Exemplarisch genannt wurden „positive Geschichten“ aus dem Lokaljournalismus über Alters- oder Ehejubilare ebenso wie über verdiente Menschen aus Unternehmen, Vereinen etc.

Bei seinen Studenten, jungen Leuten, „digital natives“ gebe es keine Akzeptanzprobleme für konstruktiven Journalismus. Studenten sind eine Elite, so Meier, die für die ganze Bandbreite journalistischer Stil- und Formensprache offen seien.

Dann die Frage nach Überschneidungen mit dem Nutzwertjournalismus, der auch von jungen Leuten akzeptiert werde. Es gebe hier Zusammenhänge so Meier, größer seien aber die von konstruktivem Journalismus mit „Friedensjournalismus“ oder konfliktsensitivem Journalismus. Dabei gehe es darum, Angst Machendes etwa aus der Berichterstattung über Terroranschläge herauszunehmen, anstatt die Klaviatur des Täters zu spielen. Konflikte würden heute oft übertrieben sensationalistisch dargestellt. Professor Meiers Resultat des Abends: Journalisten könnten bei der Aufbereitung von Nachrichten vorsichtiger sein, mehr mit der Realität abgleichen. Menschen glaubten Medien heute mehr als früher, in Frage gestellt werde die Glaubwürdigkeit vor allem von (Rechts)Populisten.

Michael Siegel


Foto: Michael Siegel